Das Finden eines Bootsverleihes – die ticken anders, die Franzosen!
Mit dem Kanu sollte es dieses Jahr auf der Loire entlanggehen. Schöne Idee und auch ein schöner Urlaub, der aber mit einem kleinen Mentalitätsproblem begann. Der Deutsche hätte es im Urlaub gern organisiert. Er möchte, auch als Individualreisender, wissen, wann er wo ist und dass vor Ort alles für ihn bereit ist. Innerhalb Deutschlands ist dies auch kein Problem. Will man in Mecklenburg-Vorpommern oder sonstwo paddeln gehen, schmeißt man kurz die Suchmaschinen an, ruft bei zwei oder drei Kanuverleihern an und reserviert schließlich irgendwo rechtzeitig vor dem Urlaub sein Boot. Man bekommt eine Bestätigung, macht gegebenenfalls eine Anzahlung, und alles ist save.
In unserem Nachbarland hingegen tickt man anders. Zum einen fahren die Franzosen während ihres Sommerurlaubs gern ans Meer, und wenn sie sportlich aktiv sein wollen, fahren sie dahin, wo alle sind. Also Kanufahren in der Ardèche, Kitesurfen in Leucate, Radfahren in der Dordogne oder auf Korsika. Unser Vorhaben ‚Paddeln auf der Loire‘ führte zu ungläubigem Staunen bei unseren französischen Freunden. „Das habe ich noch nie gehört“ war die häufigste Reaktion. Allerdings ist das Internet voll mit malerischen Fotos und Tourbeschreibungen, also ließen wir uns davon nicht abschrecken.
Durch intensive Recherche fanden wir fünf Kanuverleihe auf dem gesamten Streckenabschnitt zwischen Roanne und Nevers. Nennen möchte ich hier keinen, da keiner von denen auf E-Mails oder Kontaktformulare reagierte, geschweige denn jemand ans Telefon zu bekommen war. Trotz hartnäckiger Versuche über mehrere Wochen zu verschiedenen Tageszeiten und Wochentagen hinweg. Lediglich das Bureau des Guides de Loire et Allier antwortete und schwieg dann bis zum letzten Tag. Der angekündigte Vertrag, die Zusage etc. kamen nie bei uns an. Die Erlösung brachte einen Tag vor Start der Tour ein Anruf in der Touristinfo in Nevers. Vom Bureau des Guides wurde uns dringend abgeraten und stattdessen der Veranstalter Canoe Raid Aventure empfohlen. Ein Tipp, der diesen Urlaub maßgeblich beeinflussen sollte.
Von Vichy über Billy nach Châtel-de-Neuvre
Unsere beiden Kanuverleiher Thierry und Claude bildeten ein lustiges französisches Adventuregespann. Ihr Verleih befindet sich in dem winzigen Städtchen Cuffy, zwanzig Minuten mit dem Auto von Nevers entfernt. Wir, übrigens mit Hund per Bahn unterwegs, wurden von Thierry am Bahnhof abgeholt, sofort freundlich beraten, zum Supermarkt und Bank gefahren. Währenddessen reifte die Entscheidung, nicht die Loire, sondern den Allier zu befahren. Warum? Der Allier ist kleiner, ebenso naturbelassen, und es sind weniger Touristen unterwegs. Ebenso war unsere geplante Route von Roanne bis Never für die 12 Tage viel zu kurz. Außerdem erzählten uns die beiden, dass so lange Kanufahrten ungewöhnlich sind. Die meist heimischen oder europäischen Touristen fahren wohl oft nur über das Wochenende oder maximal eine Woche.
Also ließen wir uns überzeugen, liehen das komplette Equipment und packten all unseren Stuff in die Tonnen. Das Boot kostete uns 50 Euro am Tag inklusive Transport, Tonnen, Schwimmwesten und Paddel. Der Preis schien uns ziemlich stolz zu sein, allerdings wurden Anfahrtstag und Abholungstag nicht berechnet. Rückblickend muss man sagen: für den Service und den weiten Transport war der Preis angemessen.
Thierry fuhr mit uns dann am ersten Tag bis in das gut 130 Kilometer entfernte Vichy. Dort sollte unsere Tour beginnen. In Vichy setzte er uns direkt hinter dem großen Wehr in der Nähe des Einkaufszentrums Carrefour ab und direkt in das Wasser. Der Allier ist ein naturbelassener und unverbauter Fluss. Viele Wehre wurden entfernt, so dass heute wieder Lachse ungehindert den Fluss hinaufschwimmen können. Im Juli und August ist das Wasser angenehm warm, was das Be- und Entladen, das Baden ebenso wie mögliches Kentern ziemlich angenehm macht. Apropos kentern: Ja, das ist möglich, auch wenn der Allier im Durchschnitt nur 50 cm tief ist.
Da wir recht spät einsetzten, begannen wir kurz nach dem Stadtgebiet von Vichy mit der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Der Allier ist in diesem Abschnitt ruhig, und es gibt keine Sandbänke. Da die Uferböschung hier generell ziemlich hoch und das Ufer fast durchgängig bewaldet ist, sollte man nicht allzu wählerisch bei der Suche sein. Wir nahmen schließlich eine Kraxelei von gut zwei Metern in Kauf und wurden dafür mit unberührter weicher Wiese belohnt. Übrigens ist das Wildcampen in dieser Gegend von Frankreich erlaubt. Da die Campingplatzinfrastruktur zudem ziemlich dünn ist, hat man auch kaum eine andere Wahl.
In den folgenden drei Tagen mäanderten wir flussabwärts, vorbei an urwaldartigen Uferzonen, durchbrochen von Kuhweiden, Maisfeldern und Wiesen. Uferschwalben, Flussuferläufer und Graureiher waren von nun an unsere Begleiter. Und es waren auch unsere einzigen Begleiter. In der gesamten Zeit sahen wir genau zwei Angler und drei Boote. Obwohl wir uns Einsamkeit und unberührte Natur gewünscht hatten, waren wir ziemlich verwundert und begeistert darüber, dies in der Art im Zentrum von Frankreich zu finden.
Nach zwei Nächten Kampierens in der Wildnis erreichten wir schließlich Châtel-de-Neuvre. Hier kann man als Wasserwanderer einmal bei Norbert, Canoé Camping La Courtine, oder einige hundert Meter weiter bei Camping de Neuvre seine Zelte aufschlagen. Wir taten dies beim Erstgenannten, ganz einfach weil dieser Campingplatz der erste direkt hinter der Brücke von Châtel-de-Neuvre war. Außerdem kann man hier direkt mit dem Boot anlegen und baden. Bis zum Campingplatz sind es aber gut zweihundert Meter über eine Wiese, was mit dem Boot gefühlt immer länger wird. Am anderen Campingplatz hingegen muss man eine gut drei Meter hohe Uferböschung überwinden, was das Anladen mit dem Boot ebenfalls zum Abenteuer macht. Wir blieben zwei Nächte beim ersten Campingplatz. Dieser war ruhig, leer, mit angenehmer Wiese, schattig und voller netter Leute. Außerdem war unser Hund willkommen. Châtel-de-Neuvre ist ansonsten ein französisches Straßendörfchen aus dem Bilderbuch mit Brasserie, Bistro, Casino, Tattoo-Shop und dem Restaurant Le Bistro Gourmand. Einen Besuch hier möchte ich ausdrücklich empfehlen. Wer die Chance hat, sollte sich abends einen Tisch auf der Terrasse reservieren und sich von den Menüs überraschen lassen.
Von Moulins nach Le Veurdre Appremoint sur Allier nach Forchambault
Insgesamt blieb es die gesamten restlichen acht Tage fast so einsam, wie sie begannen. Allerdings je mehr wir uns der Loire näherten desto zahlreicher wurden die Wasserwanderer. Mehrere Paddelgruppen, die eine Wochentour oder Wochenendtour machten, kreuzten unsere Wege. Allerdings waren es selten mehr als fünf Boote am Tag. Der Allier wird in seinem Verlauf breiter und sandiger. Die letzten Nächte verbrachten wir auf unberührten sandigen Sandbänken, die ihrem Namen wirklich alle Ehre machten. Der Fluss macht in diesem Abschnitt unzählige Kurven, und ebenso liegen viele Bäume im Wasser, die das fahren sehr abwechslungsreich gestalten.
Wir erhielten außerdem von Norbert, dem Campingplatzbesitzer in Châtel-de-Neuvre, noch einige wichtige Hinweise. Unter anderem den: Der nächste große Ort von de Neuvre aus ist Moulins. Bevor man ihn erreicht, durchquert man ein Naturschutzgebiet. Dieses endet kurz vor Moulins. Das Ende des Gebietes ist durch ein Schild gekennzeichnet, welches am linken Flussufer zu sehen ist. Außerdem durchquert man rot-weiß markierte Stromleitungen. Es kommen auf der Strecke einige Strommasten, und es sind tatsächlich die letzten Masten weniger als einen Kilometer vor Moulins. Durchquert man diese, hat man nur wenige Flussbiegungen Zeit sich einen Schlafplatz zu suchen.
Weiterer Tipp von uns. Haben Sie nach Moulins mal wieder Lust auf einen Campingplatz. Vergessen Sie es!!! In der nächsten Stadt Le Veurdre ist ein Campingplatz verzeichnet. Zu ihm führt laut Google Maps und Open Street Maps ein Kanal. DIESEN GIBT ES NICHT. Halten sie stattdessen direkt nach der Brücke links (10 m). Dort ist eine Anlegestelle, von der aus man in das Dörfchen laufen kann. Nur so erreicht man auch den Campingplatz oder in unserem Fall ein Hotel. Der Besitzer des Hotel-Restaurant du Pont Neuf (Hunde willkommen) kennt die Sachlage und ist gerne bereit, mit dem Auto das Bootsequipment zu holen. Das Boot selber kann man eventuell beim Kanuclub Canoe en Terre d’Allier lassen oder wie in unserem Fall verstecken.
Von Le Veurdre ist es dann nicht mehr weit bis zum schönen Museumsstädtchen Appremoint sur Allier. Das sollte man sich unbedingt anschauen. Dahinter gibt es außerdem eine wunderschöne Insel mit Sandbank zum Schlafen.
Bis nach Fourchambault, wo es einen schönen Campingplatz am Wasser gibt – hier stimmt die Beschreibung mit dem Kanal ausnahmsweise – ,passiert an sich nicht mehr viel. Der Allier trifft auf die Loire, das Wasser ist dann tiefer, der Fluss breit und die Hindernisse weniger. Ein wunderbarer Ausklang der Tour.
Insofern viel Spaß beim Paddeln!