Unterwegs auf den Kapverdischen Inseln – Abseits der Wege

Die Kapverdischen Inseln sind eine sehr abwechslungsreiche Inselgruppe und ein wunderschönes Reiseziel. Neben den Badestränden auf Sal und Boa Vista gibt es die Vulkaninsel Fogo oder auch die Insel Santiago mit der Hauptstadt Praia. Abseits der Wege kann man auf dieser zum Beispiel wunderbar wandern und geniale Ausblicke genießen. Allerdings muss man ein paar Sachen beachten…

Es ist warm, die Luft ist trocken, wir sitzen in einem Taxi und werden durch nicht stoßdämpfende Stoßdämpfer auf der Rückbank ordentlich durchgeschüttelt. Unser Fahrer Ricardo hat das Autoradio wieder lauter gedreht, da erneut ein Song von Tibau Tavares, auf  seiner in Dauerschleife laufenden alten Magnetkassette, läuft.  „Saude“, den Tavares mit Pupkulies & Rebecca herausgebracht hat, gehört mit der Neuzas „Djar Fogo“ zu den wohl am meisten gespieltesten Liedern auf den Kapverdischen Inseln in diesem November 2013. Wir sind gerade auf der Fahrt nach Tarrafal, welches sich im Norden der Insel Santiago befindet. Wir kehren an diesem Morgen der Haupstadt der Kapverdischen Inseln Praia den Rücken und sind ganz froh darüber. Neben einigen Tatsachen, wie unfreundliches Personal im Hotel, dunkles, kleines und zu teures Zimmer oder auch zuviele Menschen und Autos haben auch unsere falschen Erwartungen, teilweise geweckt durch den Reiseführer und unterwegs getroffene andere Reisende, zu unseren enttäuschten Mienen geführt.

Was wir beim Vorfreuen auf die Stadt vergessen haben, ist, dass es sich bei den Kapverdischen Inseln um ein kleines Land handelt. Auf den neun bewohnten Inseln leben insgesamt knapp über 400.000 Menschen. Die Hauptstadt Praia hat ungefähr 130.000 Einwohner, also in etwa soviele wie Würzburg, Ingolstadt oder Regensburg. In wohl keiner dieser drei Städte gibt es große Prachtboulevare, riesige Einkaufstraßen und -zentren oder ein wahnsinnig quirliges Nachtleben. Man würde die Städte vielleicht mit Adjektiven wie ruhig, schön, provinziell oder traditionell beschreiben. Hinzu kommt, dass die Kapverdischen Inseln ein relativ junger Staat sind. Insofern muss man die Beschreibungen der Reiseführer und Internetforen mit Vorsicht genießen und sollte selbige in den richtigen Relationen sehen. Innerhalb der Städte des Inselstaates ist das Zentrum von Praia groß, ebenso ist auch das Nachtleben in diesem Kontext sicher quirlig und auch der Hafen ist im Vergleich sehenswert. Aber wer sich Enttäuschungen, wie wir sie erlebt haben, ersparen möchte, der sollte die Relationen beachten und nicht zuviel erwarten. Das Zentrum von Praia ist nur wenige Straßen umfassend, der Hafen ist mehr als überschaubar und das kulturelle Leben ist relativ begrenzt. Auch die im Reiseführer auf sage und schreibe fünf Seiten in den höchsten Tönen gelobte Cidade Velha ist trotz des Titels „Weltkulturerbe“, nicht mehr als ein Fischerdörfchen. Sowohl die Kirche Nossa Senhora do Rossario von 1495 und das Forte Real de São Filip sind hübsch anzusehen, aber wer hier mehr als eine Stunde verbringen möchte, hat es schwer.

Derart in Gedanken versunken nähern wir uns dem kleinen Örtchen Tarrafal im Norden der Insel. Immerhin ist es mit seinen über 20.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt auf dem Eiland. Die Fahrt von Praia dauerte knapp drei Stunden, sie führt uns vorbei an Bergen, Tälern und vielen kleinen Dörfern. Während Ricardo uns ab und zu etwas zur Landschaft erzählt, geht es rauf und runter, links herum und rechtsherum, während wir unter anderem die Serra de Malagueta durchqueren. Die Straße scheint vor allem in den kleinen Orten ein beliebter Treffpunkt zu sein, überall sehen wir Menschen am Rand der Fahrbahn, halten die Alugueros (Sammeltaxis) und ständig muss Ricardo Menschengruppen, Ziegen und Gespannen ausweichen.

Das Örtchen Tarrafal erreichen wir in der Dämmerung. Unser Hotel (Sol Marina) liegt direkt zwischen der kleinen Bucht und dem Hafen von Tarrafal. Das Zimmer ist wirklich sehr einfach, dafür aber sehr sauber und der wunderschöne Blick entschädigt auch für das nicht so ansehnliche Treppenhaus. Einen noch besseren Blick haben wir von der Dachterasse des Hotels, auf der wir jeden Morgen das Frühstück genießen und wo sich auch die Rezeption befindet. Wie auch in den anderen Landesteilen sprechen die Hotelangestellten kein englisch. Wir verständigen uns radbrechend auf spanisch und französisch, auch wenn keine der beiden Sprachen wirklich von den Einheimischen geprochen wird. Wir wollen aber ein bisschen was von der Stadt sehen und fragen uns deswegen Tag für Tag durch das stille Tarrafal.

Einsame Strände in der Vorsaison auf Sal.

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Das Zentrum des kleinen Städtchens besteht aus einem kleinen rechteckigen Marktplatz mit einer Kirche. Ringsherum gibt es ein paar Lädchen und Restaurants. Auffallend ist, dass es auf dem Platz ein öffentliches W-Lan-Netz geben muss, denn man sieht fast immer Menschen mit einem Laptop herumsitzen und im Internet surfen. Direkt neben unserem Hotel entdecken wir das Restaurant Esplanada Baia Verde des gleichnamigen Hotels Baia Verde. Dieses liegt auf einem Felsen über der kleinen Badebucht von Tarrafal und abends genießt man von hier oben einen romantischen Blick auf Sterne, Ozean und Bucht. Das Restaurant bietet lokale Gerichte, die man unbedingt kosten sollte. Zur Wahl stehen natürlich Cachupa sowie verschiedene Fisch- und Huhngerichte. Obwohl das Restaurant zur gehobenen Preisklasse gehört, wird es zu unserer allabendlichen Basis während unserer drei Tage in Tarrafal.

 

Für Badeurlauber bietet dieser nördliche Zipfel von Santiago nicht allzuviele Möglichkeiten. Es gibt die kleine Badebucht in Tarrafal und das war es dann schon. Es gibt noch einige Strände in der weiteren Umgebung, aber diese erreicht man nur während einer Wanderung oder mit einem Aluguero. Aber Tarrafal eignet sich dafür wunderbar zum Wandern. Auf Anraten der diversen Reiseführer und unserer netten Hotelrezeptionistin Maria mieten wir uns einen Guide. Praktischerweise kennt sie natürlich jemanden und ehe wir uns versehen steht Danilo auf der Terasse und bietet seine Dienste an. Gemeinsam mit einem deutschen Urlauber entscheiden wir uns für eine Wanderung zum nahe gelegenen Leuchtturm. Der Trip ist nicht ganz billig. Danilo möchte umgerechnet 30 Euro dafür haben, dass er uns drei bis vier Stunden durch die Umgebung führt. Naja gesagt getan, stiefeln wir mit ihm los. Die Wanderroute beginnt in der kleinen Bucht vor unserem Hotel und führt in die dahinterliegenden Berge. Zunächst geht es über eine Kuhweide sowie durch losen Baumbestand. Alsbald sind wir hoch genug, so dass wir die Bucht unter uns erblicken können. Der Ausblick ist wirklich atemberaubend. Die Fotoapparate klicken, Ah’s und Oh’s schallen durch die Landschaft während es so natürlich nur langsam weitergeht. Danilo erträgt alles mit einer stoischen Ruhe. Er erzählt uns, dass er diese Strecke dreimal bis viermal in der Woche mit Touristen läuft, da ist natürlich eine gewisse Routine nicht verwunderlich. Doch auch wir kriegen uns irgendwann wieder ein und stapfen darauffolgend durch Schluchten und Berge immer an der Küste entlang. Der Leutturm am Ende der Tour entpuppt sich als ziemlich kleines weißes Häuschen, was in unseren Augen nicht viel mit einem Leuchtturm zu tun hat. Da wir inzwischen etwas ermüdet sind, sparen wir uns den Abstieg zum ‚Turm‘, machen nur eine kleine Rast und erklimmen dann einen Gipfel. Obwohl den ganzen Tag die Sonne sticht, ist es oben durch den Wind doch angenehm kühl. Von oben hat man einen fantastischen Rundblick auf einen Teil des Nordzipfels der Insel. Wir entdecken in der Ferne eine Badebucht, aber bis dorthin tragen uns unsere Füße heute nicht mehr. So stapfen wir brav hinter Danilo her, der uns zum Umkehren ermuntert. Den Abend beenden wir bei einem wunderbaren Mahl in unserem Haus- und Hofrestaurant.

Meine zauberhafte Reisebegleiterin und ich beschließen am nächsten Tag eine große Wanderung in den Parque Natural de Serra Malagueta zu machen. Da wir Vertrauen in unseren Guide haben, fragen wir Danilo. Dieses Mal möchte er 80 Euro für die Tour haben, die den ganzen Tag dauern soll. Wir sind etwas überrascht ob des Preises und willigen dann ein. Wie sich später herausstellen sollte, war dies eine gute Idee. Unsere Wanderung beginnt damit, dass wir mit Danilo in ein Aluguer steigen und in die Berge fahren. Dadurch, dass Danilo das Reden übernommen hat, geht alles fix und wir bezahlen denselben Preis wie die Einheimischen, was nicht überall selbstverständlich ist. Am Tor zum Nationalpark steigen wir aus, melden uns in der Rezeption kurz an und dann geht es auch schon los. Der gut ausgeschilderte, ausgebaute und breite Weg führt in die Berge. Unter, über und neben uns erstreckt sich grüner, leicht vernebelter Bergregenwald. Da die Sicht leider beschränkt ist und Danilo nur portugiesisch spricht, erfahren wir wenig über die Umgebung oder die Vögel und Pflanzen, die wir sehen. Im Gegenteil – wir zeigen Danilo, was Kiefern und Lärchen sind und dass diese ätherische Öle in sich haben. Er zeigt uns hin und wieder einen Ausblick, so tröpfelt der Tag dahin, wir fotografieren und denken uns aber gleichzeitig, dass die 80 Euro ganz schön viel Geld für einen Spaziergang sind …

Im Hochland von Sao Antao

Nach zwei Stunden Wanderung ist der Weg an einem Sendemast samt Aussichtspunkt zu Ende und zu allem Überdruss treffen wir auch noch deutsche Wanderer, die mit Karte, GPS-Sender und neuen Jack-Wolfskin-Jacken hier herumtoben. Großartig 🙁 Das Paar schwäbelt uns zu, was es noch für eine Tour machen möchte und siehe da! Yeah! Es ist genau dieselbe Tour, die wir auch machen wollen. Es wird immer besser :-(! Aber dann verschwinden sie mit Karte, GPS, sogar noch einem Tablet im Gebüsch und fühlen sich ganz ‚draußen zu Hause‘. Danilo erträgt auch dieses Intermezzo mit stoischer Ruhe und klettert kurz darauf über das Geländer des Aussichtspunktes, denn dahinter geht ein Pfad bergab. Oha! Beginnt jetzt das Abenteuer? Und wie!

Danilo führt uns durch mannshohes Gras und Gebüsch auf einem kleinen Pfad über einen Bergrücken, der sich langsam absenkend in das grüne Tal windet. Frohlockend stapfen wir hinter ihm her, denn der Ausblick ist sofort fantastisch. Wir erkennen kleine Bergdörfer und Felder in den steilen grünen Hängen, im Hintergrund leuchtet blau das Meer und dazwischen ziehen sich die Bergkämme und Täler. Als wir uns einmal kurz umsehen, erblicken wir das schwäbelnde Päarchen in ihren bunten Jacken am Aussichtsturm. Auch sie scheinen unsere Route nehmen zu wollen, was aber ehrlich gesagt ohne Guide lebensgefährlich ist. Das erkennen die beiden glücklicherweise auch und kehren um. In den folgenden vier Stunden wandern wir entlang mehrerer Bergrücken immer weiter ins Tal in Richtung des Ortes Principal. Wir wandeln auf verschlungen Dschungelpfaden, die so schmal sind, dass man nicht nebeneinander gehen kann. Während man linker Hand in die Felswand greift, geht es rechter Hand teils hunderte Meter in die Tiefe. Danilo erweist sich jetzt als richtiger Guide. An mehreren kleinen Hütten, in denen Bergbauern wohnen, erkundigt er sich nach dem sichersten Weg, fragt nach Wasserständen von Wasserfällen, die über den Weg tosen und führt uns zielsicher durch den Berwald. Die Ausblicke, die sich uns bieten sind atemberaubend schön. Dazu durchqueren wir mehrere Plantagen, in denen uns Danilo unbekannte Früchte zeigt und wir durchwandern verlassene Bergdörfer. Am Ende sind wir wirklich fertig und erschöpft und die letzten Meter hinab nach Principal sind eine echte Qual. Vom Örtchen Principal erwarten wir nicht allzuviel, was ganz gut ist, denn außer einer Rumbrennerei, einem Flussbett und einigen Steinhäuschen gibt es rein gar nichts zu sehen. Die Bewohner betrachten uns einigermaßen argwöhnisch, so dass wir sehr froh sind, Danilo bei uns zu haben. Wir verlassen Principal also recht schnell auf der einzigen Straße, die hinaus aus dem Tal führt. Die Straße besteht aus Pflastersteinen, wie viele Straßen auf den Kapverdischen Inseln, und sie ist teilweise durch den neben ihr fließenden Fluss zerstört worden. Wie es scheint muss vor relativ kurzer Zeit eine ziemlich mächtige Flutwelle das Tal durchströmt und alles mitgerissen haben, was nicht niet- und nagelfest war. Für die Anwohner muss das sehr tragisch gewesen sein, denn wie es scheint, nutzten sie das fruchtbare Flusstal für Ackerbau und Viehzucht. Nur wenig ist davon auf einigen höher gelegenen Ebenen übrig geblieben. Auf unserem Weg begegnet uns eine große Anzahl Schulkinder und wenige Autos. Die letzte Tatsache ist für uns wiederum tragisch, da Danilo anscheinend geplant hatte eines der Autos anzuhalten und es als Taxi heimwärts zu nutzen. Allerdings hält keines der vielleicht drei Autos und so wandern wir noch einmal ca. zwei Stunden die Straße entlang und fühlen uns ein wenig wie Elli im Wunderland auf ihrem langen Backsteinweg. Irgendwann erbarmt sich dann doch der Fahrer eines völlig mit Feldfrüchten, Ziegen und Menschen überladenen  Aluguers unserer müder Wanderseelen. Trotz unseres Protestes bekommen wir die V.I.P.-Plätze vorne im Häuschen des Fahrers. Dafür muss die gesamte Ladung des kleinen Vehikels eine Viertelstunde lang umgeschichtet werden und alle anderen mussten noch viel enger zusammenrücken. Dass wir viel lieber hinten bei den Leuten gesessen hätten und dass man sich wegen uns nicht solche Umstände machen muss, war nicht zu vermitteln. Wir sind die Gäste aus dem Ausland und deswegen bekommen wir die besten Plätze. Wir hatten das Gefühl, dass unsere Mitfahrer beleidigt gewesen wären, wenn wir sie weiter abgelehnt hätten und so genossen wir voller warmherziger Rührung diese Geste der Gastfreundschaft und verabschiedeten uns immer überschwenglich von jedem einzelnen Reisenden, der im Laufe der Fahrt das Taxi verließ. Die Fahrt zurück nach Tarrafal dauerte schließlich keine halbe Stunde. Nach insgesamt neun Stunden Ausflug waren wir wieder zurück, happy und K.O. Wir verabschiedeten uns von Danilo und am nächsten Tag vom kleinen Tarrafal, welches auf jeden Fall eines der  Reiseziele ist, das man finden möchte, wenn man abseits der Wege unterwegs ist: klein, voller Überraschungen und schön!

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