Es war einmal vor langer Zeit, da lebten die Menschen auf der Erde und besaßen kein Mobiltelefon. Außerdem gab es damals auch kein weltumspannendes Internet und keine Digitalfotografie. Um sich als Fremder an einem unbekannten Ort zu orientieren, besaß man einen Reiseführer – immerhin schon in 3D und Farbe. Man nannte ihn Buch. Um von A nach B zu kommen, fragte man die Einheimischen in ihrer Sprache und ohne Translator – mit Händen, Füßen sowie einem Lächeln. Das waren verrückte Zeiten damals. Aber was noch viel verrückter war: Die Menschen kamen tatsächlich an ihr Ziel. Sie schliefen in Unterkünften ohne Air BnB, sie fanden die nächste Eckkneipe ohne Yelp, und das Essen schmeckte trotzdem. Sie fanden sogar in die örtlichen Clubs ganz von allein, ohne Instagram, und kein Influenzer sagte ihnen, dass diese Disko voll hip ist. Echt verrückt damals.
Ein bisschen sehnten wir uns nach diesen Zeiten zurück, als wir beschlossen, nach Kuba zu reisen. Sechs Wochen wollten wir ohne Handy unterwegs sein, wollten uns treiben lassen von Tipps und Empfehlungen der Einheimischen. Ganz ohne Google Maps und Apps.
Prinzipiell eignet sich Kuba für dieses Vorhaben sehr gut, denn es gibt kein mobiles Internet auf der Insel, deswegen muss man für eine Verbindung immer zu einem W LAN-Hotspot. Dafür gibt es anderes gut funktionierendes Netzwerk, welches man beim Verreisen nutzen kann, nämlich das „Casa-particular-offline-Network“ ( kurz CpoN). Dies bedeutet, dass man getrost davon ausgehen kann, dass der eine Besitzer eines Casas im nächsten geplanten Reiseziel ein anderes gutes Casa kennt, dieser wiederum kennt in der übernächsten Destination jemanden, und der wiederum und so weiter und so weiter…
Kann man sich darauf verlassen?
Ja! Dass das Network funktioniert, hat folgenden Grund: Die Casabesitzer profitieren davon, wenn sie ihre Gäste weiterempfehlen, denn der andere Vermieter schickt seine Gäste ebenfalls weiter. Je mehr Gäste man vermittelt, umso mehr bekommt man. Die so vermittelten Reisenden springen nicht ab und sind außerdem vertrauenswürdige Kundschaft. Auch werden sie bis vor die Haustür gefahren – es ist also eine klassische Win-win-Situation.
Wer Land und Leute kennenlernen will, der hat auf diese Art und Weise die besten Möglichkeiten, mit Kubanern ins Gespräch zu kommen und sich ein Bild vom Leben in Kuba zu machen.
Wir starteten unseren Trip in Havanna bei Landy und hatten mit seinem Marys House gleich einen Volltreffer gelandet. Sein Casa war zwar nicht mehr particular, sprich das ganze Haus war ein Gästehaus, doch nach der anstrengenden Anreise war es sehr angenehm, ein bisschen Platz für sich und Ruhe zu haben. Jeden Morgen wurde uns von der sehr netten Johanna ein Frühstück auf der Dachterrasse des Hauses serviert, und mit ihr plauderten wir oft mehrere Stunden. So erfuhren wir viel über das Leben in Kuba und bekamen erstklassige Restauranttipps. Außerdem befand sich das Casa direkt im Zentrum nahe dem Capitolio, so dass man getrost nachts zu Fuß unterwegs sein konnte. Da wir mit Landy happy waren, ließen wir uns von ihm weiter nach Vinales vermitteln, zu Idisbel und Kirenia. Auch Idisbel war eine supernette Gastgeberin. Hier schauten wir mit der Familie Fußball und genossen erstklassige Frühstücke. Allerdings hatten wir hier das Gefühl, unbedingt bei unserer Gastgeberin alles buchen zu müssen, da sie sehr am Verkaufen von Touren etc. interessiert war. Aber auch sie besorgte uns eine günstige Unterkunft in Trinidad. Und die war mit Abstand die familiärste. Wir wohnten bei „Las Terrasas de Martha“. Das Rentnerehepaar vermietete zwei Zimmer ihres Häuschens. Abends weckten wir sie, wenn wir nach Hause kamen, da der Fernseher im Eingangsbereich des Hauses stand, und beinahe jeden Abend schlief einer der beiden vor seinem Lieblingsprogramm. Beim Frühstück, ebenfalls auf der Dachterrasse, begrüßte uns die Katze, wir liehen uns beim Nachbarn Räder aus und schnatterten mit Händen und Füßen mit diesen liebenswürdigen Menschen. Uns gefiel es so gut hier, dass wir statt der geplanten drei Tage ganze fünf blieben. Zum Abschied standen unseren beiden Gastgebern die Tränen in den Augen, und wir bekamen sogar noch kleine Geschenke.
Und Martha vermittelte uns weiter in das beste Haus am Platz in Playa Giron. Bei „Luis y Marley“ hatten wir für schlappe 25 CUC pro Nacht (ca. 22,50 Euro) ein Doppelappartement mit Terrasse. Dieses Casa war schon fast ein Hotel. Doch auch hier waren die Gespräche mit Angestellten superinformativ und wir wurden sogar zu einer Beachparty eingeladen, die wir gerne besuchten.
In Playa Giron riss die Vermittlerkette allerdings. Doch die Angestellten telefonierten sich für uns durch den Lonely Planet, so dass wir auch so eine Unterkunft bei der wundervollen „Kirenia“ im benachbarten Playa Larga fanden.
Was hat uns der Verzicht gebracht?
Im Gegensatz zu vielen Reisenden verbrachten wir unsere Zeit nicht damit, aufs Handy zu starren. Wir waren nicht ständig auf der Suche nach einem WLan Hotspot. Und wir konnten gar nicht erst permanent anderen mitteilen, wie geil und cool das gerade ist, was wir machen. Wir suchten uns die Restaurants allein nach unserem Gutdünken aus. Da ist man zwar vor Reinfällen nicht gefeit, dafür bekamen wir immer einen Platz, entdeckten wunderschöne Ecken und quetschten uns nicht mit dutzenden Reisenden in eine bestimmte Bar, die ja ach so hip sein musste. Wir hatten das Gefühl, viel Zeit zu haben, konnten Bücher lesen und bemerkten, dass die Welt nicht untergeht, wenn man mal sechs Woche offline ist. Zwei Mails an die Daheimgebliebenen und ein paar Postkarten tun es auch.
Verpasst haben wir durch diese Art zu reisen nichts. Ich glaube, wir haben eher gewonnen – mehr Menschen kennenlernt, andere Orte gesehen als die meisten und haben viel vom kubanischen Leben mitbekommen dank displayunbehinderter Sicht.
PS: Ein Problem gab es aber tatsächlich. Aus Ermangelung eines Handys waren wir gezwungen, uns Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Leute aufzuschreiben, die wir trafen. Leider fehlte oft ein Stift, so dass wir nur unsere Nummern hinterlassen konnten. „Ja cool, wir melden uns, bleiben Freunde auf Facestagram…“ Niemand hat sich gemeldet, und einige Verabredungen gingen an uns vorüber, weil wir kein Whatsapp hatten. Wunderbar geklappt hingegen hat eine Verabredung in Havanna frei nach dem Motto: „In unserer Stammkneipe nach dem Krieg um sechs“. Geblieben ist uns der Kontakt zu einem netten französischen Hippiepärchen. Wir schrieben uns unsere E-Mail-Adressen in die Notizbücher. Jetzt tauschen wir Fotos und wollen uns besuchen. Nein, verpasst haben wir wirklich nichts! 🙂
PS: Wenn ihr Kontakte zu den genannten Gastgebern wollt oder Kontakt zu weiteren Gastgebern sucht, dann schreibt mir kurz in den Kommentaren.
Hii! Werde in 2 wochen nach Cuba reisen, dabei sind wir äusserst spontan und haben nichts gebucht, im Prinzip genau das, was du im Artikel beschrieben hast!
In vinales scheint es mir doch eher schwer eine casa zu finden, oder bin ich da falsch?
Würde mich über einen Kontakt in Vinales sehr freuen!
PS immer super Artikel, verfolge sie immer wieder! Grüsse Giulia
Hallo Giulia,
Danke für deine lobenden Worte. Es freut mich sehr, dass dir gefällt, was ich schreibe. Den Kontakt von Idisbel in Vinales habe ich dir per Mail geschickt. Würde mich freuen zu hören, wie es dir gefallen hat. Und natürlich viel Spaß in Kuba!!!
Lg Martin
Wieder ein toller Text. Und gut zu wissen, dass man auch so gut durch Kuba kommt. Wir wollen demnächst auch hinfliegen…und vielleicht machen wir es wie du und verzichten auf Online-Modus für diese Zeit 🙂 Verrückt, dass das mittlerweile schon was besonderes ist. Danke dir auf jeden Fall. Freue mich auf weitere Texte.